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Kappadokien – Märchenhafte Traumwelt aus Stein

Menschen in Kappadokien
Menschen in Kappadokien

11.000 Jahre alt ist die Geschichte der Menschen in Kappadokien. Sie erzählt von Steinzeitmenschen, Seldschuken, Römer, Griechen, Frühchristen, Türken, Armenier, Griechen. Als Tacitus von den Germanen behauptete, sie lägen noch auf Bärenhäuten, zog durch Kappadokien alles, was damals Rang und Namen hatte. Quer durch das Land führte die Seidenstraße, und weil die kilikische Pforte der einzige Weg durch das Taurus-Gebirge ist, auf dem sich die anatolische Hochebene einigermaßen bequem besteigen lässt, zogen Händler und Eroberer gleichermaßen hier durch.
Die Menschen in Kappadokien hatten sich bereits vor den Türken und der Invasion durch Touristen bereits daran gewöhnt, dass aus allen Richtungen Fremde durch ihr Land zogen: Aus dem Osten kamen Perser, aus dem Südosten zuerst Araber, später Türken, aus dem Westen Griechen, Römer und Kreuzritter, und aus dem Norden wilde Reiter vom Schwarzen Meer.
Irgendwie lag somit Kappadokien immer auf dem Weg, und war damit alles andere als Provinz. Hier trafen Kulturen, Religionen und Völker aufeinander.

Die unterirdische Stadt

Kappadokien
Kappadokien

Heute dagegen sieht Kappadokien nach Hinterland aus: Nichts los und davon viel. Doch nicht alle, die durch das Land zogen, waren friedlich unterwegs. Deswegen brachten sich die Menschen bei Bedarf in Sicherheit. Sie gruben Fluchträume aus weichem Tuffstein, und verschwanden darin, sobald Perser oder Römer im Anmarsch waren. Das letzte Mal benutzten die kappadokischen Bauern 1838 eine solche unterirdische Fluchtburg, als die Ägypter kamen. Später gerieten diese in Vergessenheit und wurden nur zufällig wieder entdeckt, erzählt der Reiseführer.

Eingang zur unterirdischen Stadt in Kappadokien
Eingang zur unterirdischen Stadt in Kappadokien

Viele Meter tief, bis zu acht Stockwerken, reichen manche dieser unterirdischen Bauwerke. Die Größenordnung ist immens und in ihnen waren die Menschen für eine ganze Weile sicher. Es gab Ställe, Vorratsräume, Latrinen, Kirche, alles, was für ein unterirdisches Leben notwendig war. Gut, die Aussicht war nicht so besonders. Die Gänge waren schmal, manche ziemlich steil, vor allen Dingen an vielen Stellen unbequem zu laufen. Damit waren sie auch schwer zu erobern, falls einer der Invasoren sich fragen sollte, wo die ganzen Bewohner denn so abgeblieben waren und auf die Suche ging.

Ein unspektakulärer Eingang

Mit Steinen verschließbar: Gänge in der unterirdischen Stadt in Kappadokien
Mit Steinen verschließbar: Gänge in der unterirdischen Stadt in Kappadokien

Der Eingang zur unterirdischen Stadt war unspektakulär. Es ging einen schmalen, staubigen Pfad entlang, zu einer Hütte mit Vorplatz und einer schmalen Türöffnung, die sich nicht von den Türöffnungen der umliegenden Behausungen zu unterscheiden schien. Der erste Raum war nur durch diese Tür zu betreten und völlig fensterlos. Eine Scheune, erklärt Ertan. Es ging weiter, durch Räume, enge Gänge, schmal und niedrig. Oft geht es nur ganz langsam weiter, so trippelschrittchenweise, der Blick reichte nicht weit und die Beleuchtung war eher schummerig. Wie mag das erst gewesen sein, als es weder Strom, noch Glühbirnen, sondern nur Kerzen, Fackeln und Öllämpchen gab? Wer Angst hatte, Angst vor der Enge, der bleibe besser draußen, hatte Ertan, uns gewarnt. Es gab Lüftungslöcher, und Rinnen, die in Zisternen führten. Kein Ungeziefer wage sich hier herein, sagte Ertan, weder Ratten, noch Fledermäuse.

Schmale Gänge
Schmale Gänge

Große runde Steine standen in Nischen bereit. Im Ernstfall der Verteidigung konnten sie wie in einer Laufschiene vor die Türen gerollt werden und riegelten den schmalen Gang ab. Mit Loch in der Mitte, nicht als Türspion, zum Gucken, sondern dafür, dass ein Speer den Angreifer empfindlich im Bauch pieken konnte. An den Seiten und in der Decke gab es dazu auch solche Löcher. Eine Theorie besagt übrigens, dass diese unterirdischen Städte weniger zur Flucht, denn zur Verteidigung dienten. Wer von der kilikischen Pforte kam, musste an ihnen vorbei Spießruten laufen. Siedlungen sind hier oben auf der Hochebene, so ohne Wasser, Bäume und Sträucher, generell eher unbequem. Da waren (und sind) die Täler, die weiter unten liegen, wesentlich attraktiver.

Der Burgberg von Uchisar

Burgberg von Uchisar
Burgberg von Uchisar

Manchmal flüchteten die Menschen in Kappadokien jedoch nicht unter die Erde, sondern bauten ihre Festung direkt in den Berg hinein – und konnten damit ihre Umgebung überblicken. Wie ein überdimensionierter Ameisenhaufen mit vielen kleinen Löchern, so sieht der Burgberg von Uchisar aus. Manche Löcher zeigen Räume, denen quasi die Außenmauer fehlt. Beweis dafür, dass der Berg früher noch größer gewesen sein muss. Von oben ließ sich gut beobachten, wer unten vorbeizog. Waren es Freunde, konnten sie auf Leitern hinaufgebeten werden. Waren es Feinde, mussten sie unten bleiben. Einige der Höhlen sind noch bewohnt, in einem kleineren Berg haben die Bewohner ein Café eingerichtet.

 

Leere Häuser auf dem Weg zum Burgberg. Kappadokien
Leere Häuser auf dem Weg zum Burgberg.

Auf dem Weg zum Burgberg stehen leere Häuser, halb verfallen, mit filigranen Ornamenten um den Fenstern. Da wohnten Griechen, erklärt unser Reiseführer. Seit diese 1923 vertrieben wurden, stehen die Häuser leer. Damals mussten alle Griechen in der Türkei ihre Sachen packen und nach Griechenland ziehen. Die Türken, welche bis dahin in Griechenland lebten, kamen dafür zurück. So waren wieder alle Nationalitäten hübsch sortiert, jeder dorthin, wo er ursprünglich hingehörte. Weil aber weniger Türken kamen, als Griechen wegzogen, blieben viele Häuser leer. Bis heute. Dazu kam, dass es in vielen Orten dann weder Lehrer, noch Apotheker oder Arzt gab, Berufe vieler Griechen. Dafür kamen Türken, die weder lesen noch schreiben konnten. Bis aus den Daheimgebliebenen und den Rückkehrern gute Nachbarn wurden, das dauerte – und dauert wohl manchmal noch bis heute, wie der Reiseleiter erklärte.

Obsidian in Uchisar

Obsidian aus Kappadokien
Obsidian aus Kappadokien

Rund um Uchisar gibt es Obsidian, Händler bieten ihn als Figürchen an. Entstanden ist er aus einfachem Sand, geschmolzen in vulkanischer Hitze. Sand gibt es wie Sand am Meer. Ist dieser rein, ist er chemisch Siliciumdioxid. Erhitzt auf mehr als 1700 Grad Celsius, schmilzt er und es entsteht beispielsweise Glas. In den türkischen Vulkanen war es heiß genug, Steine und Sand schmolzen gleichermaßen und flossen als Lava. Kühlt solch geschmolzener Sand schnell ab, wird manchmal schwarzer Obsidian daraus. Ähnlich wie Feuerstein lässt sich Obsidian mit einem anderen Stein bearbeiten, springt auseinander, und bildet scharfe und muschelförmige Bruchkanten. Menschen der Frühzeit nutzten Klingen aus Obsidian und verwendeten Splitter daraus für Speere und Pfeile, lange bevor sie lernten, Metall zu schmelzen.

Die Römer polierten später Obsidian so lange, bis sie sich in ihm spiegeln konnten.
Fantasyspieler kennen ebenfalls Obsidian: In ihren Welten dürfen Magier nur Dolche aus Obsidian zum Kampf nutzen, Waffen aus Metall würden dagegen ihre Zauberkraft behindern. Heutzutage wird der Obsidian zu Schmuck oder zu Figürchen verarbeitet. Und Esoteriker mögen ihn: Er gilt bei ihnen als Stein, der erste Hilfe leisten kann, weil er sowohl Schock, als auch Angst und Blockaden lösen soll. Er soll bei Wundheilung sowie gegen Raucherbein und kalte Füße helfen. Außerdem soll Obsidian die Wahrnehmung verstärken, so dass Menschen verdrängtes erinnern können und hellsichtig werden.

Die Kirchen in den Bergen von Göreme

Kirchen in Kappadokien
Kirchen in Kappadokien

Die Berge sind, genau wie der Boden, aus weichem Stein. Wer eine Wohnung braucht, nimmt Meißel und Hammer, auch wenn ein neuer Schrank, ein Regal oder ein Bett gewünscht wird. So halten es die Menschen in Kappadokien schon lange, auch die Christen, die einst auf der Flucht vor Verfolgung hier eine neue Heimat fanden.

Nach Jesus Tod war das Leben für Maria nicht einfach, so wie für alle, die an ihn geglaubt hatten. Jetzt sollten bitte alle wieder ganz normale Juden sein, die Römer herrschten, und die Pharisäer scheffelten in ihren Tempeln das Geld. Irgendwie wollten das jedoch nicht alle, und suchten eine Gegend, in der sie ungestört leben, beten und den Menschen von Jesus erzählen konnten. Im Tal von Göreme fanden sie einen Ort – und genügend Felsen. In ihnen wurden im Lauf der Zeit viele kleine Kirchen, aber auch Klöster und Einsiedlerzellen gemeißelt. Selbst die Nischen fürs Geschirr, Tische und Bänke in den Refektorien und andere Einrichtungen sind aus Stein gehauen.

Christen wohnten hier vom 4. bis zum 13. Jahrhundert, besiedelten Kirchen und Klöster. Zunächst war die Geschichte der Evangelien wie in bunten Comics auf den Kirchenwänden verewigt, dann gab es darüber Streit – und die Gesichter wurden so weit ausgekratzt, so hoch die Eiferer mit ihren Armen reichten. Später wurde es ruhig um Göreme, alles geriet ein wenig in Vergessenheit, über dem dürres Gras wuchs, gelegentlich von Schafen und Ziegen benagt.

Weltkulturerbe Höhlenkirchen

Kirchen in Kappadokien
Kirchen in Kappadokien

Heute ist hier Weltkulturerbe, alles darf beguckt werden, man kann fast mit der Nase an den Wänden riechen. Weil niemand mehr weiß, ob die Kirchen ursprünglich überhaupt einen Namen hatten, oder ob sie nach denen benannt wurden, die hier wohnten, kochten, arbeiteten, stritten, sich liebten, was auch immer, wurden sie nach ihren Eigenheiten benannt. Es gibt die Apfelkirche, die Spangenkirche, die Sandalen-Kirche, die Schlangenkirche und die Schwarze Kirche, in der die Bilder am schönsten, am farbigsten erhalten waren, einfach weil nur durch ein winzig kleines Fenster in der Felswand Licht hinein kam. Selbst die Tür war so gebaut, dass es erst in einen Vorraum ging und dann noch einmal um die Ecke, so dass wirklich wenig Luft und Licht in den Raum kam.

Das Tal der Mönche

Kappadokien Tal der Mönche
Kappadokien Tal der Mönche

Der weiche Stein, dessen Ursprung in vulkanischer Tätigkeit liegt, wurde nicht nur von den Menschen, sondern auch von Wind und Wetter geschaffen. Daher sehen die Säulen mit ihren Mützchen so aus, als seien sie zu Stein erstarrte Mönche, ihre Kapuzen für immer über das Gesicht gezogen. Feenkamine werden sie genannt, und sie blieben dort stehen, wo ein härteres Lavamützchen die butterweichen Steinschichten schützte und sie damit nicht von Wind und Wetter abradiert wurden.
In einigen der Säulen sind Räume, in denen einst Einsiedler wohnten. Hinauf ging es nur mittels Leiter. Sie zogen in die Einsamkeit, weil ihnen schon damals schon die Welt zu viel war, die Menschen um sie herum. Was würden diese Eremiten heute sagen, in unserer Zeit, in der jeder ständig und überall erreichbar sein muss?

Einsiedler im Tal der Mönche

Kappadokien Tal der Mönche
Kappadokien Tal der Mönche

Eine Kapelle ist St. Simeon geweiht. Er lebte als Einsiedler im 5. Jahrhundert in der Nähe von Aleppo. Doch schon damals machte ein solch zurückgezogenes Leben Menschen neugierig. Wie lebt jemand so ohne Schwätzereien und alleine? Wer sich seinen Mitmenschen entzieht, gibt deren Phantasie Nahrung. Deswegen kamen neugierige Frauen auf die glorreiche Idee, dass Simeon Wunder wirken und heilen könne. Grund genug, zu ihm zu pilgern – und ihm, der doch lieber alleine gewesen wäre, auf die Pelle zu rücken. Also hat sich Simeon auf eine Säule gesetzt: 15 Meter näher am Himmel und so weit wie möglich weg von den Menschen. Hier oben konnte er in aller Ruhe meditieren. Zur Erde stieg er nur hinab, wenn er ein wenig essen und trinken musste – seine Verehrer brachten ihm mehr als genug davon. Ob sich Simeon jemals wieder gewaschen hat?

Der Film Simón del desierto (1965), auf deutsch: Simon in der Wüste ist ein Film von Luis Buñuel, den dieser über ebenjenen Säulenheiligen drehte. In diesem ist zu sehen, wie sich der Satan in unterschiedlichen Gestalten nähert und Simeon auf seinem steinernen Hochsitz verführen will: Als Frau im Matrosenanzug und als blonder Hirte mit Locken versucht er noch, Simeon von unten zu locken. Erst beim dritten Mal klettert Satan schließlich als Frau an der Säule hoch und schmust mit Simeon. Doch der Heilige bleibt standhaft, so wie seine Säule und sieht schlussendlich, wie der Böse auf einem Borstentier davoneilt.

Das Tal der steinernen Soldaten

Kappadokien Tal der Soldaten
Kappadokien Tal der Soldaten

Es heißt, ein guter Bildhauer weiß, welche Figur sich im Stein verbirgt. In seiner Arbeit mit Hammer, Meißel und Schlageisen zeigt der Künstler seine Schlagfertigkeit, bearbeitet die Blöcke Splitter für Splitter so raffiniert, dass die Skulpturen lebendige Präsenz erhalten. Ovid erzählt in seinen Metamorphosen von Pygmalion, der als Bildhauer die Statue einer Frau schuf und diese dank der Göttin der Liebe sogar lebendig wird.

Ob das für Wind und Wetter auch so gilt? Diese brauchten zwar entschieden länger dafür, bis sie Sandkörnchen für Sandkörnchen von den Statuen entfernt hatten, so ganz ohne anderes Werkzeug, wie es ein Bildhauer gewöhnlich benutzt. Aber wenn ein Bildhauer nur pusten würde, bräuchte er ebenfalls länger, als sein Leben dauert. Immerhin schufen Wind und Wetter im Lauf der Jahrmillionen im Tal der Steinernen Soldaten einen ganzen Skulpturenpark.

Kappadokien Tal der Soldaten
Kappadokien Tal der Soldaten

Wie in den ständig wechselnd vorüberziehenden Wolken am Himmel lassen sich mit ein wenig Phantasie in den Steinen Figuren entdecken, eine Madonna, miteinander schwätzende Weiber und ein ruhendes Kamel. Wie lebensecht das Kamel von Wind und Wetter aus dem Stein geschmirgelt wurde, zeigt der Zaun um den Stein herum, der Besucher hindert, in den Sattel zu steigen. Die Schuhe der Touristen graben ebenso geschwind wie deren Finger so tiefe Rillen in den weichen Stein, dass von dem Kamel in Nullkommanix mehr übrig bliebe.

König Krösus kämpfte in Kappadokien

Der Name des Tals erinnert an eine ferne Vergangenheit. Ob sich alles so zutrug, wie überliefert? Einst fragte König Krösus, der für seinen Wohlstand und seine Freigebigkeit so bekannt war, dass sein Name als Synonym bis heute für spendable Menschen gilt, das berühmte Orakel von Delphi. Dessen Weissagung: „Wenn du den Halys überschreitest, wirst du ein großes Reich zerstören“, interpretierte Krösus so, als sei der Sieg sicher und zog gegen die Perser.

Kamel in Kappadokien
Kamel in Kappadokien

Den Halys überquerend, kam Krösus in das von ihnen regierte Kappadokien. Im Tal der Steinernen Soldaten trafen die Lyder und die Perser in einer Schlacht aufeinander, von der es bei Herodot heißt: „Als Phraortes tot war […] und Kyaxares gegen die Lyder stritt, dazumal, als mitten im Streit Nacht ward aus dem Tag […] Die Sage erzählt, dass sich die Sonne verfinsterte und somit die Schlacht unterbrach. Schließlich galt in der Antike eine Sonnenfinsternis als unheilbringendes Zeichen, vorausgesagt von Thales von Milet. Als diese tatsächlich eintraf, ließen die Kämpfer voneinander ab und schlossen Frieden. Jedenfalls vorerst, denn später wurde Krösus tatsächlich von den Persern besiegt. Diejenigen Krieger, die weiterkämpften, versteinerten.

Die drei Schönen

Die Drei Schönen in Kappadokien
Die Drei Schönen in Kappadokien

Vulkane schufen den Boden, auf dem wir heute in Kappadokien unterwegs sind: Längst waren alle Saurier auf der Erde tot und bis auf die Knochen abgenagt, Säbelzahntiger jagten hinter Rüsseltieren her, katzengroße Pferdchen grasten auf weiten Wiesen. Wenn es je ein Paradies gab, dann war es vielleicht hier zu finden. Doch schon damals lag gleich neben dem Paradies die Hölle: Hier waren es die drei Vulkane Erciyes Dağı, Hasan Dağı und Melendiz Dağı, wie sie später genannt wurden.

 

Ob sich die Vulkanausbrüche mit Rauchzeichen oder kleineren Erdbeben ankündigten, so dass die Tiere fliehen konnten? Es waren heiße Zeiten: Regelmäßig spuckten die drei Vulkane unvorstellbare Mengen an Lava und Asche über Kappadokien. Kühlte die Asche ab, wuchsen rasch neue Wiesen, auf denen Tiere grasten, die nichts von der heißen Hölle ahnten. Immer wieder ließen die Vulkane Magma, Asche und Lava über die Landschaft regnen.

 

Vulkan in Kappadokien
Vulkan in Kappadokien

Aus dem heißen Ascheregen bildete sich Tuff, der immer dann entsteht, wenn das flüssige Magma nicht als glühender Strom aus dem Vulkan fließt, sondern mit hoher Wucht aus dem Krater geschleudert wird. Alles zerstäubt zu staubfeinen bis faustgroßen Brocken, fällt als glühender Regen auf die Erde. Viele Meter hoch legte sich die Vulkanasche über das Land. In den Tälern, die tief in das märchenhafte Land eingeschnitten sind, lässt sich ahnen, wie hoch einst die Erde von heißer Asche bedeckt war.

Vulkane formten die Landschaft

Manchmal schleuderten die Vulkane auch größere Brocken, die sich überall verteilten: Heute bilden diese die kleinen Mützchen auf den einzelnen Stelen. Im Hintergrund des Panoramas ragt der Erciyes Dağı achtungsvoll mit einer kalten Schneehaube empor, wie ein weiser Alter. An seine stürmische Jugendzeit erinnern dagegen die drei Schönen, die im Vordergrund stehen:

Tuffstein
Tuffstein

Drei hohe Säulen aus Tuffstein sind mit einem Deckstein bedeckt. Sie wirken wie grob geschnitzte Figuren aus einem Riesentheater, stumme Zeugen einer heißen Vergangenheit, die in Jahrmillionen von Wind, Regen, Hitze, Kälte oder Sturm aus dem Stein geschaffen wurden. Dank der Kappe, die aus einem härteren Material besteht, wurden sie vor der Erosion geschützt.

Immer noch wirken Wind und Wasser an den Steinen, schmirgeln Körnchen für Körnchen heraus, lassen alte Feenkamine einstürzen und legen an anderen Stellen neue frei. Manche sind über siebzig Meter hoch, höher als ein Riesenrad. Andere sind kleiner. Manche sind spargeldünn, andere zwanzig Meter stark. Schroffe Falten liegen neben spitzen Felsnadeln. In manche dieser Schluchten kann man ein Stück weit hineingehen, bevor die Felswände so dicht aufeinanderrücken, dass kein Durchkommen mehr möglich ist.
Das letzte Mal brach der Hasan Dagi übrigens vor rund 9000 Jahren aus. Erdgeschichtlich gesehen ist das wie vorgestern.

Ein bunter Abend

So spannend die Landschaft in Kappadokien ist, so spannend sind auch die Begegnungen mit den Menschen, die dort leben. Daher ist ein türkischer Abend geradezu Pflicht. Was macht ein türkischer Mann, wenn eine Bauchtänzerin so lange vor ihm tanzt, bis er Trinkgeld gibt? Sollte er alleine oder in Gesellschaft anderer Männer unterwegs sein, genießt er. Schaut. Und wartet. Faltet einen Geldschein, klemmt ihn zwischen seinen Zeige- und Mittelfinger und wartet, bis die Tänzerin nahe genug an ihn herangekommen ist: Dann lupft er nur ein ganz kleines bisschen mit dem Ringfinger den BH-Träger der Tänzerin.

Nur ein bisschen und damit meine ich: Ein BH-Träger ist schließlich keine Bogensehne! Er lupft ihn so weit, dass er den gefalteten Geldschein darunter schieben kann. Schon kleine Jungen lernen das von ihren großen Brüdern oder ihren Vätern, wenn sie mit ihnen unterwegs sind. Wird der türkische Mann dagegen von seiner Frau begleitet, blinzelt er der Bauchtänzerin höchstens so vorsichtig zu, dass die Frau nichts davon mitbekommt. Offen hinschauen und genießen? Wer keinen ausgewachsenen Ehekrach haben möchte, lässt das, schaut nach unten, zur Seite, zu seiner Frau, irgendwohin, aber niemals, wirklich mit keinem Blick, zur Bauchtänzerin.

Getanzt wird zu jeder Gelegenheit

Ertan gab eine kurze türkische Sittenkunde. Volkstänze wurden traditionell in den Dörfern an Hochzeiten, Feiertagen, zur Verabschiedung der Rekruten, zu Siegesfeiern, kurz: Immer, wenn es passte, aufgeführt. An diesem Abend gab es erst einen langsamen Tanz, der den Ablauf eines türkischen Polterabends widerspiegelte: Der Bräutigam wurde eingeseift und rasiert, die Hände der Braut mit Henna gefärbt.
Zum Schluss die Bauchtänzerin. Am Nachbartisch saß ein türkisches Paar, feierte den Hochzeitstag, wie sie erzählten. Die Bauchtänzerin kam, der Mann betrachtete völlig konzentriert seine Fingernägel. Sie tanzte, schüttelte mit ihren Klimperketten, es fehlte nicht viel, und der Mann hätte in seiner Nase gepopelt, nur um zu zeigen, dass ihn der Tanz nicht interessiert. Die Frau dagegen war aufmerksam, schaute genau, wohin der Mann sah.

Bis dieser endlich einen Geldschein aus der Tasche fingerte, faltete, zwischen Zeige- und Mittelfinger klemmte und mit dem Ringfinger den Träger des BHs lupfte, nur ein ganz kleines bisschen, bis er gerade so den Schein unter den Träger schieben konnte. Ob es zwischen den beiden noch Krach gab? Keine Ahnung. Solange ich am Nebentisch saß, waren sie lieb und freundlich.

Und wer den ersten Teil verpasst hat, hier ist er: Kappadokien ist eine Reise wert – von der Küste nach Konya 

Kappadokien ist eine Reise wert – von der Küste nach Konya

Kappadokien: Dass ich nach Kappadokien flog, lag am Angebot, ich gebe es zu. Eine Rundreise, acht Tage lang, da wäre ich auch in die Wüste gefahren, oder in die Pampa.
Ich nahm mir vor, auch in den klapperigsten Bus zu steigen, und nicht die Ecken des Hotelzimmers nach Wollmäusen abzusuchen, wollte mich einfach klaglos in jedes Bett legen, was mir so nachts angeboten wird und essen, was auf den Teller kommt. Ich hatte mich auf das Schlimmste eingestellt, was ich mir so vorstellen konnte: fünf Etagenbetten in einem Zimmer, karierte Wolldecken bei frostigen Temperaturen, hellroter Früchtetee, mit einem Beutel Tee auf fünf Liter Wasser und zum Essen abwechselnd Grießbrei, Reisbrei oder Kartoffelbrei.
Ganz so schlimm war es doch nicht. Ehrlich.
Eigentlich war es ganz gut. Sehr gut sogar. Echt.

Eine Reise durch Kappadokien

 

Strand in Kappadokien
Strand in Kappadokien

Einige meiner gut abgehangenen Vorurteile konnte ich auf dieser Reise getrost entsorgen.
Was wusste ich eigentlich so über die Türkei und speziell über Kappadokien? Nicht sehr viel. Die Reise trug den Titel: Auf den Spuren der Apostel.
Als Paulus in Kappadokien auf seinen Sandalen unterwegs war, kam er nach Ikonium, das heutige Konya. Auf der Flucht vor der Christenverfolgung durch Nero zogen einige von ihnen dorthin. Auch Maria, die Mutter von Jesus, soll nach seinem Tod mit dem Jünger Johannes nach Ephesus gewandert sein. Sicherheitshalber. Ephesos liegt westlich von Antalya und heißt heute Selcuk. Auf dem Konzil von Ephesus wurde 431 ihr hiesiges Grab erwähnt. Gleichzeitig erhebt aber auch Jerusalem Anspruch auf das Grab von Maria.

Kümmeltürken gibt es hier nicht

Einem Kümmeltürken bin ich jedenfalls in der Türkei nicht begegnet. Konnte ich auch gar nicht. Entstanden ist das Wort in Halle, früher, als dort noch viel Kümmel angebaut und trostlose Landstriche als Türkei bezeichnet wurden. Mit diesem Wort Kümmeltürke wurde früher ein Student bezeichnet, der aus der Umgebung der Uni stammt.

Und überhaupt. Kappadokien. Türkei. Völlig unterentwickelt, abgesehen von Istanbul. Die Frauen schuften auf den Feldern, während sich die Männer im Teehaus vergnügen. Dachte ich jedenfalls. Wie gesagt, gut abgehangene Vorurteile.

Vorurteile lassen sich ändern

Dann in der Luft war es auch wie immer: Alles sah noch viel kleiner aus, als im Spielzeugland. Keine Grenzen sind zu sehen, nur Straßen und Felder und Berge. „Bitte schnallen Sie sich wegen der Wetterlage an“, sagte die Stewardess. Aber hier oben war gar kein Wetter, hier oben war Sonne. Wetter und Wolken waren doch tief unter uns. Trotzdem wackelten die Tragflächen.
Die Fahrt vom Flughafen zum Hotel dauerte etwas mehr als eine Stunde und entlang der Straße standen lauter Betonbauten. Blinkende Autos überholten eilig den Bus. Hohe Tiere, sagte Ertan, unser Reiseführer für die acht Tage. Soso. Wichtige Leute. Von denen würden wir noch mehr mitkriegen, warnt er.
Vom Balkon aus wäre ein Meerblick möglich gewesen, die Richtung stimmte, aber andere Häuser versperrten die Sicht. Weil es noch früh im Jahr war, gab es weder Kampf um die Poolliegen, noch Kindergebrüll, nur Spatzen und Bauarbeiter lärmten. Der Hibiskus war kahl und struppig, der Strand schmal und kieselig. Aber ich war ja hier nicht zum Spaß, sprich: nicht zum Badeurlaub.

Eine Fahrt mit dem Boot auf dem Manavgat

Sonntag ist Kirchgehtag. Weil ich in der Türkei war, ging es aber nicht in eine Kirche, sondern in eine Moschee. Die Moschee in Manavgat wurde in einem historisierenden Stil vor etwa zehn Jahren neu gebaut, übersetzt Ertan die Tafel neben dem Eingang.

Moschee in Manavgat
Moschee in Manavgat

Weil seit Atatürks Zeiten Staat und Kirche in der Türkei streng getrennt sind, treibt der türkische Staat auch keine Kirchen- resp. Moscheesteuer bei den Gläubigen ein. Soll also in der Türkei eine neue Moschee gebaut werden, müssen die Menschen, welche das wollen, dafür sammeln und spenden, beten soll auch helfen.

 

 

Häuser in Manavgat
Häuser in Manavgat

Die Häuser rund um die Moschee herum sahen ziemlich neu aus. Wo haben die Menschen, die darin leben, eigentlich vorher gewohnt? Sind die alle aus den Dörfern in die Städte gezogen? (Genaueres erzählte Ertan später, dazu komme ich also noch). Außerdem war Wahlkampf: Deswegen hingen überall Fahnen und Plakate herum, mit Politikern, welche gewählt werden wollen.

 

Auf dem Manavgat in Manavgat

Der Manavgat in Manavgat
Der Manavgat in Manavgat

Gemächlich und träge glitt das Schiff durchs Wasser, der Motor vibrierte, melancholische Akkordeonmusik tönte aus dem Lautsprecher. Viel Zeit zum Gucken. Kurz vor der Mündung ins Meer hatten Händler auf einer Landzunge Zelte aufgebaut. Weil es dort frisch und windig war, standen früher Sommerhäuser auf Holzpfählen, erzählt Ertan. Da dort allerdings auch Karettschildkröten ihre Eier in den Sand legen, mussten die Häuser abgerissen werden.

 

Über das Taurusgebirge nach Konya

Unterwegs durchs Taurusgebirge
Unterwegs durchs Taurusgebirge

Nordwärts ging es, in steilen Kurven stieg die Straße hinauf zum Pass. Wir sollten das Grün der Bäume genießen, warnt der Reiseführer vor der steinigen Wüste der kommenden Tage. Was heute eine Busfahrt von zwei Stunden ist, dauerte vor wenigen Jahren zu Fuß und mit Lasttieren noch mehrere Tage. Ab und an schlängelten sich noch Reste der früheren schmalen Straße nebenan. Sonst war nicht viel Platz zwischen Straße und Steinen.

Tankstellen als moderne Karawanserei

 

Kappadokien unterwegs
In Kappadokien unterwegs, im Hintergrund eine Bauxitfabrik

Was früher Karawansereien waren, Raststätten, an denen Menschen und Tiere ausruhen, essen, trinken, schwätzen und schlafen konnten, sind heute Tankstellen. Autos und Busse bekommen Sprit, die Menschen Kaffee, türkischen Honig, Tee und getrocknete Früchte. Irgendwann roch es metallisch und rußig: Eine Bauxitfabrik, erklärt Ertan, hinten zu erahnen. Auf der alten Seidenstraße ging es bis Konya, ehemals Ikonium, dorthin, wo bereits der Apostel Paulus war. In der Apostelgeschichte heißt es: Paulus und Barnabas zogen weiter nach Ikonium (Apg 13, 50). Als sie jedoch in der dortigen Synagoge predigten, mussten sie weiter fliehen – sonst drohte die Steinigung (Apg 14)

Barbarossa war auch schon hier

Später zog Kaiser Friedrich Barbarossa auf seinem Weg nach Palästina durch Kappadokien, und schlug am 18. Main 1190 seine letzte Schlacht auf dem dritten Kreuzzug, die Schlacht von Ikonium. Als er anschließend mit seinem Heer durch den Taurus hinunter zur Küste zog, ertrank er am 10. Juni im Fluss Saleph. Da seinem Sohn Friedrich V. von Schwaben nur noch wenige Kreuzritter nach Palästina folgten war der Kreuzzug damit fast zu Ende.

Die Fußspuren von Paulus sind längst verweht, ebenso die Zitadelle, in die sich der seldschukische Sultan vor den Kreuzrittern geflüchtet hatte. Doch das ehemalige Kloster der tanzenden Derwische gibt es noch.

Das Kloster in Konya

„Ist doch alles Hottentottenmusik“, murrt die Großmutter, als ihre Enkelin den neuen Song von Xavier Naidoo aufdrehte. Dafür wollte das Kind zwei Tage später nichts von der Blasmusik im Stadtpark hören: „Das ist mir zu laut!“

Jenseits von richtig und falsch gibt es einen Ort, dort treffen wir uns.  —- Rumi
Das Grab von Rumi in Konya
Das Grab von Rumi in Konya

Eine grüne Kuppel leuchtet weit über den Dächern, unter ihr das Grab von Dschalal ad-Din Muhammad Rumi. Ein islamischer Mystiker. Innen stehen viele mit Decken verhüllte Särge, auf jedem ein Turban. Symbolisch, sagt Ertan, die Gräber sind ganz normal im Boden. Unter dem größten Sarg liegt der islamische Mystiker und Gelehrte Rumi, dessen Vater bereits Gelehrter war. Der Sohn studierte beim Vater – und übernahm später seine Stelle.

Der Gelehrte verliebt sich in seinen Schüler.

Das Kloster in Konya
Das Kloster in Konya

Irgendwann war Rumi (dessen Name sich von den damals herrschenden Rum-Seldschuken ableitete) etabliert und als Gelehrter hoch angesehen, als zu ihm ein Schüler kam, ein bis dahin unbekannter Derwisch namens Schams. Ab jetzt wird es romantisch: beide haben sich ineinander verliebt, auch wenn Rumi längst verheiratet und selbst Vater war. Sie himmelten sich an, schwärmten füreinander und Rumi interessierte sich nicht mehr für sein Leben als seriöser Lehrer der islamischen Religion. Er wurde ein liebestrunkener Mann, dem Musik, Tanz und Dichtung wichtiger waren als die Moschee. Zum Glück, möchte man heute sagen. Andernfalls gäbe es seine Verse nicht, die selbst von Madonna vertont wurden. Überhaupt sind seine Bücher in Amerika Bestseller.

Die Idee der Liebe

Kloster in Konya
Kloster in Konya

Er beschreibt in ihnen seine Idee der Liebe, die für alle Menschen und Religionen gleichermaßen gültig sein soll. Doch von Rumis Anhängern wurde Schams angefeindet, so dass er schließlich nach Damaskus floh. Rumi schickte seinen Sohn hinterher, Schams kam zurück, verschwand jedoch kurze Zeit später wieder. Wohin? Das weiß niemand. Vielleicht reiste er heimlich und ohne Spuren zu hinterlassen an einen Ort, wo ihn niemand finden konnte. Vielleicht wurde er aber auch von eifersüchtigen Menschen ermordet.

Rumi gründete den Orden der tanzenden Derwische. Er glaubte, dass sich mit Musik und spirituellem Tanz der Mönche eine Extase erreichen ließe, in welcher der betende Tänzer an der universellen Liebe teilhaben könnte. Immer noch pilgern viele Türken nach Konya, Rumi zu ehren, auch wenn das Kloster selbst längst säkularisiert ist. Die tanzenden Derwische sind seit dieser Zeit in einem Verein organisiert.

Die tanzenden Derwische

Vorne in der ersten Reihe wird es kühl, warnt Ertan. Die Zeremonie selbst wurde erklärt: Musik und Gesang ist eine Lobpreisung des Propheten. Aber lässt sich damit das Wesen hinter dem Tanz der Derwische erfassen, das Geheimnis? Wahrscheinlich ebenso wenig, wie sich mit einer Erklärung über die Baugeschichte einer Kathedrale deren Faszination begreifen lässt, welche die weit gespannten Gewölbe auf Menschen ausüben.

In weiße Gewänder gehüllt

Tanzende Derwische
Tanzende Derwische

Wie sieben weiße Vögel breiten die Derwische ihre Arme, die weiten Gewänder werden zu Schwingen. Doch sie fliegen nicht, sie drehen sich, stundenlang, wie mir schien, ihre Köpfe auf die Schulter geneigt, mit geschlossenen Augen. Sie drehen sich, strecken den rechten Arm zum Himmel, mit geöffneter Hand, von dort empfangen sie Weisheit und Güte Gottes. Sie reihen diese mit dem anderen Arm, der zur Erde weist, an die Menschen weiter. Ein steingrauer Filzhut symbolisiert den Grabstein, die weißen Gewänder stellen die Totenhemden  dar.

Musik der Tanzenden Derwische

Die persische Flöte Nei wird von Laute, Zither und Trommel begleitet. Der Tanz der Derwische ist ihr Gebet und Zugang zu Gottes Geist. Kann ja sein. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Gott dazu gesagt hat, dass ringsum zahlende Touristen sitzen sollen, dicht gedrängt wie in einem Zirkuszelt.

1925 ließ Kemal Atatürk alle Derwischorden verbieten. Er sah in ihnen eine Gefahr für seine moderne Türkei, waren sie doch in ihren Traditionen verhaftet. Die Klöster wurden aufgelöst, die Derwische organisierten sich in Vereinen. Achtzig Jahre nach Aufhebung des Ordens wurde die Zeremonie der Tanzenden Derwische in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen.

Zum zweiten Teil der Reise geht es hier entlang: Kappadokien – märchenhafte Traumwelt aus Stein 

Die Passionsspiele in Erl

Alle sechs Jahre werden die Passionsspiele in Erl aufgeführt. Ein Pestgelübde war der Beginn einer langen Tradition, die von 1613 bis heute reicht. Seit dieser Zeit bringen die Menschen in dem kleinen Tiroler Ort, kurz vor Kufstein, alle Jahre wieder die Passion Christi auf die Bühne.

Auf dem Brennerpass durch die Alpen

Hoch zum Brennerpass führt mit dem Inntal eine der niedrigsten Passagen durch die Alpen. Damit ist das weite Tal, in dessen Grund der grüne Inn gemächlich fließt, schon immer eine Einfallschneise für all diejenigen, die so bequem wie möglich von Nord nach Süd oder Süd nach Nord reisen wollten. Die Römer bauten die erste Straße über den Brennerpass, Kaiser Karl zog auf seinem Weg nach Canossa durchs Tal und bis heute wird diese Route für den Handel zwischen dem Norden und dem Süden genutzt. Er ist das Tor zur italienischen Adria.
Die Händler brachten Wein, Getreide, Tuche und Salz in den Norden, versorgten den Süden dafür mit Wolle, Pelze und Honig. Florierte der Handel, hatten die Menschen ihr Auskommen und es ging ihnen gut.

Inhaltsverzeichnis

Krankheiten auf Reisen
So auch die Menschen in Erl
Die Geschichte des Passionsspielhauses in Erl
Alle sechs Jahre
Mitten im Geschehen!
Jesus steht im Mittelpunkt
Die nächsten Passionsspiele in Erl

Krankheiten auf Reisen

Händler packten ihre Waren auf Wagen und Karren, zurrten sie in Bündeln fest und huckten sie den Lasteseln oder Pferden auf. Manchmal brachten die Händler jedoch nicht nur ihre Waren über den Pass. Dann reisten Krankheiten als unerkannte Konterbande im Gepäck oder Körper, kamen in die Städte und Dörfer. Wer ihnen zu nahe kam, erkrankte an Pest, Pocken oder anderen für die damalige Zeit oft tödlichen Krankheiten. Da niemand um deren Ursachen wusste, hielten die Menschen sie für eine Strafe Gottes. Manche ergaben sich in ihr Schicksal. Andere jedoch versuchten es mit Messen, Bittgängen und Bußen. Vielleicht war Gott ja dann gnädiger?

Das Passionsspielhaus in Erl
Das Passionsspielhaus in Erl

So auch die Menschen in Erl

Das kleine Dorf liegt nicht nur in der Nähe von Kufstein, sondern an einer der Hauptreiserouten zum Brennerpass. Bis heute führt diese am Inn entlang, den noch recht großzügigen Platz im Tal teilen sich Autobahn, Eisenbahnstrecke, Fluss und die kleinen Nebenstraßen. An drei Seiten ist Erl von Bayern umringt. Damit befindet es sich in einer Lage, die früher oft heftig umkämpft wurde. Die Schrecken des schwarzen Todes waren somit immer gegenwärtig, ebenso wie der Wille der Menschen, diesen zu besiegen oder ihm wenigstens zu entkommen. Passionsspiele waren eine Möglichkeit. Ob die Bauern und Schiffer von Erl aus eigenem Antrieb begannen, oder ob sie vom Pfarrer ermuntert wurden, ist nicht überliefert. 1613 wurden die Spiele zum ersten Mal erwähnt, Pilger hatten sie gesehen und darüber berichtet. Damit begann die offizielle Geschichte der Passionsspiele in Erl.

Das Passionsspielhaus in Erl inmitten der Berge
Das Passionsspielhaus in Erl inmitten der Berge

Auch wenn heutzutage die Schrecken von Pest und Krieg gebannt scheinen, immer weniger Menschen an einen zürnenden oder gütigen Gott glauben und es eigentlich keine Notwendigkeit mehr für derartige Passionsspiele gibt, lassen die Erler nicht nach. Alle sechs Jahre bringen sie ihre Spiele auf die eigens dafür errichtete Bühne. Die Geschichte des Leidens Jesu ist bekannt, ebenso wie ihr Ausgang, sein Tod am Kreuz. Da gibt es kaum Überraschungen, sollte man meinen. Weit gefehlt. Sicher, auch die 2013 erstmals aufgeführte Textversion von Felix Mitterer zitiert Bibelworte wortwörtlich, geht jedoch darüber hinaus, passt sich sozusagen an die Bedürfnisse der Gegenwart an. Schließlich ist es bei den Erlern bereits Tradition, in Tiroler Althergebrachtes Neuerungen einzubringen.

die Bühne des Passionsspielhauses in Erl
Passionsspielhaus in Erl, die Bühne vor der Vorstellung

Die Geschichte des Passionsspielhauses in Erl

Eine dieser Neuerungen ist beispielsweise das Passionsspielhaus selbst. Zwischen 1956 und 1959 errichtet, titelte damals eine Münchner Zeitungvon einer »großen Passion im kleinen Dorf«. Allein der Zuschauerraum fasst mit seinen 1500 Plätzen mehr Gäste, als Erl mit seinen 1450 Einwohnern überhaupt vorweisen kann. Zudem stehen von den Einwohnern zur Passionsspielzeit rund ein Drittel auf den Brettern der Bühne.
Der Neubau war notwendig, weil 1933 das alte Passionsspielhaus abgebrannt war. Da die Spiele unter den Nationalsozialisten verboten waren, wurde dieser erst weit nach dem Nationalsozialismus geplant und errichtet. Erstaunlich daran ist, dass ganze 26 Jahre zwischen dem Brand und der Einweihung des neuen Hauses lagen, eine gute Generation. Für die meisten Vereine hätte eine solch lange Pause wohl eher das endgültige Aus bedeutet, nicht jedoch für die Erler.

Die Kostüme warten
Passionsspielhaus in Erl: Hier warten die Kostüme auf den Einsatz.

Alle sechs Jahre

Beschließt die Vollversammlung des Passionsspielvereins eine Aufführung, werden die Passionsspiele aufs Neue auf die Bühne gebracht. In der Regel passiert das alle sechs Jahre. Fällt in dieser Sitzung gewissermaßen der Startschuss zur nächsten Passion, wird jeder Erler gefragt, gleich ob Baby oder Greis: “Willst du mitspielen?”
Weil die Aufführung selbst kein Wunschkonzert ist, verteilt der Regisseur die einzelnen Rollen Wer sich fürs Mitspielen entscheidet, braucht übrigens fast ein Jahr keinen Friseur mehr. In der gesamten Probe- und Spielzeit geht es weder Bart noch Haaren an den Kragen.

Passionsspiele Erl
Das Kreuz wartet hinter der Bühne

Im November beginnen die Proben, zu einer Zeit, in der es im ungeheizten Passionsspielhaus noch brutal kalt sein kann. Glücklicherweise lässt sich wenigstens der Proberaum heizen. Da jedoch die vergangene Aufführung der Passionsspiele in Erl auf einer schräg aufgebauten Bühne gespielt wurde, mussten die Mitspieler schon früh auf diese wechseln. Sie probten die Szenen in warmer Skikleidung.

Der Schnürboden
Der Blick reicht weit in den unverkleideten Schnürboden.

Mitten im Geschehen!

Von ihren Plätzen aus haben die Zuschauer auf die gesamte Bühne freie Sicht, ebenso auf den hölzernen Schnürboden. Eine ursprünglich geplante Betondecke wurde nie eingebaut. Das großzügige Sichtfeld rahmt das Spielfeld und bietet von allen Plätzen einen durch nichts gehinderten Blick. Wer hier zuschaut, ist mitten im Geschehen.

Die Aufführung von 2019

Wie Regisseur Markus Plattner in der Aufführung von 2019 den Text von Felix Mitterer und die Musik von Wolfram Wagner in der Inszenierung verband, tat ein übriges und bezog bewusst Zuschauer mit ein. Zum Abendmahl senkten sich die großen Ringe von der Decke: Innen teilte Jesus die Eucharistie aus, zunächst an die im nächsten Kreis stehenden Jüngerinnen und Jünger. Ja, auch Frauen werden genannt, explizit Maria Magdalena, die als »Apostelin der Apostel« ebenso einen Sendungsauftrag erhielt, wie die anderen, die Männer. Dann standen Darsteller in moderner Kleidung auf, die bisher unerkannt im Publikum saßen, gingen auf die Bühne, reihten sich ein, wurden ebenso einbezogen und gesandt, wie die eigentlichen Jünger.

Großartige Laiendarsteller auf der Bühne

Dass die Erler keine gelernten Schauspieler, sondern Laiendarsteller sind, ist im Stück nicht zu spüren, ihr Enthusiasmus, ihre Lebensfreude und vor allem ihre Hingabe jedoch sehr. Das großartige Licht und die an die kahle Bühnenwand projizierten Bilder, wie das allwissende Auge oder die das Auf und Ab der Börsenkurse nachahmenden grün gezackten Linien, verstärken die Stimmungen. Das gleiche gilt für die akzentuierte Musik und den präzisen Einsatz von Chor und Orchester

Jesus steht im Mittelpunkt

Jesus steht im Mittelpunkt. Das gilt vom Einzug in Jerusalem – mit echtem Esel – bis zur Kreuzigung. Er verkündet seine Botschaft klar und ahnt voraus, was in späterer Zeit daraus gemacht wird. Trotzdem bleibt er Spielball zwischen den Mächten, bis er schließlich direkt vor den Zuschauern am Rand der Bühne gekreuzigt wird. Die eindrucksvolle Schlussszene geschieht mitten im Raum: Jesus steht am Bühnenrand und alle Zuschauer erheben sich zu den Klängen von »Großer Gott, wir loben dich«. Damit bekommt das Leiden Jesu einen Sinn, der weit in die heutige Zeit hinausweist, einer Zeit, die oft meint, ohne einen Gott oder eine verbindende Idee auszukommen.
Gänsehaut pur: Passionsspiele in Erl.

Die nächsten Passionsspiele in Erl finden 2025 statt.
Nach der letzten Vorstellung, der sogenannten Derniere, werden die Bärte und Haare der Männer wieder gekürzt.
Tickets und weitere Infos bekommt ihr über die Homepage der Passionsspiele.

Unterwegs im Odenwald: Von Eberbach nach Zwingenberg

Blick über Eberbach am frühen Morgen

Im Odenwald lässt es sich gut wandern, beispielsweise von Eberbach nach Zwingenberg. Der Weg führt über die alte Burg, den Katzenbuckel und durch die wildromantische Wolfsschlucht. Der Rückweg lässt sich mit zwei Stationen Bahn schnell erledigen.

Burgruine über Eberbach im Odenwald

Locken alte Steine auf einem Berg, lohnt sich das Ziel: Gut 200 Meter oberhalb von Eberbach warten die Reste dreier Burgen auf vorbeikommende Wanderer. Der Weg dorthin führt in Serpentinen je nach Kondition gemächlich oder steil bergan.

 Eberbach liegt im Odenwald, in einer großen Schleife des Neckar. Gut erhaltene Fachwerkhäuser, eine mittelalterliche Befestigung und die in Sgraffito geschmückte Fassade des „Hotel Karpfen“ lohnen eine Besichtigung.

 

Vom Katzenbuckel aus reicht die Sicht weit

Katzenbuckel mit Aussichtsturm: Weite Sicht vom Odenwald aus

Weiter geht es zum Katzenbuckel, mit seinen 626 Metern höchster Berg im Odenwald, gleichzeitig Überrest eines Vulkans. Heute ist hier ein geologisches Naturdenkmal: Die Kuppe des Berges ist zu Stein erstarrtes Magma, 60 Millionen Jahre alt. Das war die Zeit, in der die Dinosaurier langsam ausstarben und Säugetiere die Welt bevölkerten. In neunundachtzig Stufen ist die oberste Plattform des 18 Meter hohen und 200 Jahre alten Turmes erreicht: Von hier reicht der Blick bei klarer Sicht weit. Wie schlafende Tiere schmiegen sich die Hügel des Odenwaldes auf die Erde, weiter entfernt sind Taunus und Spessart. Die Zinnen lassen den Turm wie einen mittelalterlichen Burgturm wirken. Belohnung für die überwundenen Höhenmeter ist schließlich leckeres Essen in der Villa Katzenbuckel.

Höllisch gefährlich und wildromantisch: Die Wolfsschlucht

Wildromantisch und höllisch gefährlich: Die Wolfsschlucht bei Zwingenberg

Über Feldwege und Straßen ist es nicht weit bis Oberdielbach und von dort zur Wolfsschlucht, wildromantisch und höllisch gefährlich, wenn man den Schildern Glauben schenkt. Hat sie Carl Maria von Weber zum „Freischütz“ inspiriert? Zwar ist es historisch nicht zweifelsfrei, trotzdem wird die Oper zu den Burgfestspielen aufgeführt. Die Szene in der Wolfsschlucht ist jedenfalls der musikalische und dramaturgische Höhepunkt zugleich: Damit der Jägerbursche Max die Försterstochter Agathe heiraten darf, muss er seine Treffsicherheit beweisen. Er setzt auf ihr Ziel nie verfehlende Freikugeln, muss diese in der Wolfsschlucht gießen. Für die Wolfsschlucht bei Zwingenberg spricht, dass Weber 1810 in dieser Gegend unterwegs war.

Vom Eingang bis zum Ende der Schlucht sind es nur gut anderthalb Kilometer, die jedoch haben es teilweise in sich. So sind die wirklich rutschigen Stellen mit Halteseil gesichert, dabei soll der Wanderer bei Regen, Schnee und schlechtem Wetter ohnehin diesen Weg meiden.

Wildromantisch und höllisch gefährlich: Die Wolfsschlucht bei Zwingenberg

Auf dem Weg am Hang hinunter ist der Buntsandstein durch Erosion erschlossen und gut sichtbar. Weil das Wasser immer noch ausreichend stark durch die schmale Schlucht rauscht, dabei Geröll und abbrechendes Gestein mit sich nimmt, bleiben die Wände relativ frei von Vegetation und tragen damit zum spektakulären Ambiente bei. Während die Buntsandsteinfelsen an den Seiten emporragen, wachsen dort Farne, Moose und Bäume. Sonnenstrahlen müssen sich ihren Weg durchs dichte Blätterdach regelrecht bahnen. Die Schlucht schimmert in den unterschiedlichsten Braun- und Grüntönen, es wirkt ein bisschen wie im Urwald, zumal die Sonne heiß von oben brennt.

 

Wildromantisch und höllisch gefährlich: Die Wolfsschlucht bei Zwingenberg

Ihren Namen erhielt die Schlucht übrigens, weil 1866 in Zwingenberg des letzte Wolf des Odenwaldes starb. Die Wanderung durch den Odenwald von Eberbach nach Zwingenberg erinnert an ihn. 

Den Rupertiwinkel zu Fuß und mit dem Rad erobern

Während am Königsee und in Salzburg der sprichwörtliche touristische Bär steppt, ist der quasi in Rufweite gelegene Rupertiwinkel  bis heute ein recht stiller Ort geblieben. Hier lässt sich trefflich einige Zeit verbringen, in Sichtweite von Watzmann und Hochstaufen. Das nach dem Heiligen Rupertus, dem ersten Salzburger Bischof, benannte Dreieck westlich von Salzach und Saalach gehörte ursprünglich zu Salzburg. Erst seit 1810 wurde es Bayerisch. Wer in Laufen die Salzach quert, hat bereits die Grenze zum österreichischen Oberndorf überschritten. Während sich die Berge der Berchtesgadener Alpen hoch türmen, sind hier die Hügel noch sanft und voralpin. So lässt sich die Gegend lässt hervorragend erwandern oder mit dem Rad erkunden.

Radler im Rupertiwinkel
Rupertiwinkel: Überall sind die Alpen im Blick

Seit alters her ein geschätzter Landstrich

Schon die Römer schätzten das milde Klima im Rupertiwinkel. Das galt auch für die Salzburger Fürstbischöfe, für die der Landstrich im Alpenvorland eine wichtige Kornkammer war. Bis heute künden Bildstöcke, Kapellen, Wegkreuze, aber auch Marterl und Totenbretter vom sichtbaren Zeichen tiefgläubiger Religiosität. Ihnen begegnet man allenthalben, sie markieren Wegkreuzungen ebenso wie Berggipfel. In der größtenteils bäuerlich geprägten Landschaft grasen Kühe und liefern Milch für die bereits 1927 als Genossenschaft gegründete Molkerei Berchtesgadener Land. Die Balkone der historischen Häuser blühen den ganzen Sommer hindurch, ebenso wie die auch für Besucher oft offene Gärten.

Dem Rupertiwinkel kulinarisch auf der Spur

Ob im Teisendorfer Gut Edermann, einem Spa-Hotel oder auf dem Bauernhof: Die Gastgeber des Rupertiwinkel verwöhnen ihre Gäste mit regionalen Köstlichkeiten. Bis heute verrät die üppige Küche die einstige Nähe zum Salzburger Land mit ihren Nockerln, Kaspressknödeln oder Krautspatzen. Viele der Lieferanten kommen aus der Region, so sind kurze Wege garantiert und der Geschmack auf dem Teller sicher. Das Berchtesgadener Land ist als Biosphärenregion von der UNESCO ausgezeichnet. Das Gebiet der nördlichen Kalkalpen mit dem Vorland ist übrigens das einzige alpine UNESCO-Biosphärenreservat hierzulande.

Überall sind die Berge im Hintergrund zu sehen

Mit dem E-Bike das Voralpenland erkunden

Von der alten Stadt Laufen bis zum Kloster Höglwörth am Höglwörther See spannt sich ein großes Netz an gut ausgebauten Rad- und Wanderwegen. Einer von ihnen führt auf den Spuren der Brauerei Wieninger. Zehn Stationen erzählen auf gut zwölf Kilometern über die Kunst des Bierbrauens und der Bierkultur und selbstverständlich lässt sich sowohl in Höglwörth als auch in Teisendorf der geschätzte Gerstensaft nebst einem Imbiss probieren. Wer sich zum ersten Mal auf das E-Bike schwingt, wie sie beispielsweise im Gut Edermann tageweise verliehen werden, findet in Eddy Balduin einen Mountainbike-Guide, Fitness-Coach und Bergführer, der sich auskennt. Er empfiehlt einen Kurs noch vor der ersten Fahrt in hügeliges Gelände, schließlich kommt es beim Schalten und Bremsen auf die richtige Technik an.

Gute Aussichten gibt es überall

Reinheitsgebot versus Craftbeer

Im kleinen Sudhaus der Teisendorfer Brauerei Wieninger lernen nicht nur die Lehrlinge handwerklich hochwertiges Bier zu brauen. In der Bierwerkstatt können auch Hobbybrauer, Freunde, Vereine, Stammtische oder Firmen ihr eigenes Bier brauen. Riechen, schmecken und fühlen ist das Wichtigste beim Brauen, ist sich Braumeister Bernhard Löw sicher. Erst nach der Ernte wird der Hopfen aus der Hallertau verglichen. Verreibt man ihn auf der Haut, entsteht wie beim Parfum das typische Aroma. Im Bierdegustationsglas kann sich das Aroma richtig entfalten. Es muss einen Bogen vom Antrunk über den Haupttrunk bis zum Nachtrunk spannen, erklärt der Braumeister. Selbst ungeübten Zungen fällt die leichte Note nach Zartbitterschokolade im Nachtrunk auf. Während der eigentliche Brauvorgang nur rund acht Stunden dauert, braucht die anschließende Gärung zwischen vier und sechs Wochen. Je höher der Alkoholgehalt im Bier ist, desto länger lässt es sich lagern, jedoch: „Bier ist keine Dauerwurst“, mahnt Bernhard Löw. Es will getrunken werden.

Laufen an der Salzach

Die Brücke über die Salzach

Wer über den Europasteg oder die im Jugendstil erbaute Länderbrücke über die Salzach geht, gelangt direkt über die Grenze von Laufen ins österreichische Oberndorf. Schon vor 1000 Jahren bestimmte die Schifffahrt auf der Salzach und der Salztransport von Hallein nach Passau und Wien die Geschichte des Ortes. Damit ist Laufen eine der ältesten Städte Oberbayerns und beherbergt mit der Stiftskirche Maria Himmelfahrt die älteste gotische Hallenkirche in Süddeutschland. Auffallend sind die hohen Fassaden, hinter ihnen sind die Dächer versteckt. Durch diesen Baustil sollte die Brandbekämpfung erleichtert und das Übergreifen des Feuers erschwert werden. Stadtführer Hans Surrer weist auf das vor einigen Jahren sanierte ehemalige Kapuzinerkloster hin. In diesem ist heute die Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege untergebracht, ist Erwachsenen- und Umweltbildungszentrum mit Gastwirtschaft.

Zu jeder Jahreszeit einfach schön 

Der Rupertiwinkel ist mit seinen insgesamt 17 Gemeinden ein geradezu idyllischer Landstrich. Im Norden des Berchtesgadener Landes bietet er für Familien, Wanderer und Radfahrer gleichermaßen zahlreiche Möglichkeiten zur Erholung. Rund ums Jahr finden gelebte Traditionen zahlreiche Zuschauer. Hebt sich der morgendliche Nebel von den Wiesen, sind die einzigen Geräusche das Zwitschern der Vögel und das Wiederkäuen der Milchkühe. Das Schönramer Filz ist ein renaturiertes Hochmoor, es ist zu jeder Jahreszeit Naherholung für die Einheimischen und ihre Gäste und stimmungsvolle Kulisse zugleich. Das Land vor den Bergen ist ein echter Geheimtipp für geruhsame Ferien – und liegt zudem nahe an allen touristischen Höhepunkten rundherum.

Morgenstimmung im Rupertiwinkel
Abendstimmung im Rupertiwinkel

Die Reise wurde von der Berchtesgadener Land Tourismus GmbH unterstützt.

Der Jardin Majorelle Marrakesch – eine blaue Oase in der Stadt

Im marokkanischen Marrakesch schuf der französische Maler Jacques Majorelle mit dem Jardin Majorelle einen verwunschenen Garten, eine blaue Oase. Nach seinem Tod 1962 kümmerte sich kaum jemand um dessen Pracht, sie war vom Zerfall bedroht. Glücklicherweise entdeckten Yves Saint Laurent und sein Partner Pierre Bergé das Kleinod. Als auf der Fläche 1980 ein Hotelkomplex geplant wurde, kauften sie den Garten und bewahrten ihn somit vor dem Untergang.

Die Mauern von Marrakesch

Gärten, Innenhöfe und überhaupt alles ist in Marrakesch hinter Mauern versteckt. Einen Blick kann ich nur dort erhaschen, wo eine Tür geöffnet steht. Das gilt auch für die Rue Yves Saint Laurent im Stadtteil Guéliz. Die japanischen Touristinnen scharen sich lieber um die Katzen, die sich auf der staubigen Straße wälzen. Die ewiggleiche Architektur der Apartmenthäuser lässt sie unbeeindruckt. Gegenüber ragen hohe Palmen über die rostrote Mauer. Eine kleine Pforte gewährt mir Einblick und Einlass: Der Brunnen im ersten Innenhof ist von einem betörenden Blau, so leuchtend und tief, dass selbst das Blau des Himmels dagegen verblasst. Es ist das gleiche Blau, mit dem die Berber im Süden Marokkos ihre Tücher färben und manche ihrer Türen bemalen.

Grüne Oase inmitten der Stadt

Der rostrote Pfad führt auf verwunschenen Wegen tief in den Garten hinein, mit jeder Windung entdecke ich etwas Neues: Sei es ein Brunnen, eine Pergola oder Seerosen unter Palmen. Während vor den Mauern das staubig-hektische und immer heiße Marrakesch tobt, herrscht im Jardin Majorelle Marrakesch kühler Schatten und himmlische Ruhe. Das leise Plätschern der Springbrunnen übertönt selbst das Gemurmel der Besucher. Das Wasser wirkt kühlend, die Bänke einladend. Die Wasserschildkröten im großen Bassin bewegen sich mit einer Ruhe, als hätten sie ihr ganzes Leben noch keine Eile erlebt. Hinter den Palmen, Kakteen und Bougainvilleen schimmern blaue Fassaden, die Fenster mit filigranen Gittern in Gelb verziert, rote und weiße Blüten bilden Akzente, die wie Edelsteine funkeln.

Jaques Majorelle und sein Garten

Ohne den Jardin Majorelle in Marrakesch wäre Jaques Majorelle fast vergessen. Schon zu Lebzeiten stand er im Schatten seines berühmten Vaters, Mitbegründer der „Ecole de Nancy“, einer Bewegung des Jugendstils. Als Majorelle nach einer Tuberkulose gesundet, reist er um das Mittelmeer, nach Ägypten und ist vom Orient begeistert. 1919 kauft er ein Haus in der Medina, fünf Jahre später ein Grundstück vor der Stadt. Er lässt sich vom Architekten Paul Sinoir sein Atelierhaus bauen und in dem Blau streichen, das später seinen Namen tragen wird. Majorelle sammelt Pflanzen aus verschiedenen Erdteilen, bewässert sie und verwandelt trockenen Wüstensand in eine grüne Oase. Für den Rest seines Lebens bleibt Majorelle dem Zauber des Orients verfallen, reist zu den Berbern, besucht Basare und lernt die einfachen Menschen kennen. Er ist von ihnen fasziniert, von ihrer Kultur und vom Kobaltblau, mit dem sie ihre Kleidung färben und Rahmen um die Fenster der Häuser malen.

Perspektiven, Wasser und üppiges Grün

Hinter den hohen Mauern blüht, grünt und sprudelt es, geschützt vor dem Lärm und Staub der Metropole. Im Jardin Majorelle Marrakesch kann ich mich ganz auf die Farben und Düfte konzentrieren. Er versinnbildlicht Harmonie und entspricht mit seinen Perspektiven, dem Wasser und üppigen Grün den Idealen eines orientalischen Gartens. Während außerhalb der Mauern die gleißende Sonne unbarmherzig brennt, wandle ich hier im kühlen Schatten auf einem endlos scheinenden Spaziergang. Noch nicht einmal die anderen Besucher stören.

Eine Stiftung sorgt für den Garten

Seit mehr als zwanzig Jahren kümmert sich eine Stiftung darum, dass der Garten in seiner wunderbaren Schönheit erhalten bleibt. Er ist ein geradezu magischer Ort zum Verlieben. Vielleicht sind deshalb in der Love-Gallery die „Love“-Poster von Yves Saint-Laurent versammelt, die der Künstler einst als Gruß an Freunde schuf. In dieser sinnlichen Zuflucht offenbart Marrakesch seinen hinter Mauern verborgenen Zauber, eine Magie, der ich mich nur schwer entziehen kann.